VDI nachrichten-Studie: Deutsche Unternehmen trauen älteren Ingenieuren vor dem Hintergrund rasanter technologischer Entwicklungen wenig zu
Junge berufserfahrene Wollmilchsau gesucht
VDI nachrichten, Düsseldorf
Praxiserfahren sollen sie sein, und dennoch möglichst jung. Deutsche Unternehmen haben detaillierte Vorstellungen von ihren hoch qualifizierten Mitarbeitern. Statt sie aber entsprechend auszubilden, sehen sich viele Firmen lieber auf dem Arbeitsmarkt um - meist vergeblich.
Wenn sich deutsche Unternehmer "ihren" Ingenieur malen könnten, hätte er frappante Ähnlichkeit mit der Eier legenden Wollmilchsau. Da dieses Wesen aber großen Seltenheitswert hat, beschränken sich die Firmen auf die wesentlichen Attribute, zu denen laut einer Umfrage der VDI nachrichten und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) auch in hohem Maße der Faktor "Berufserfahrung" zählt.
Warum greift die Industrie nicht auf die zahlreichen arbeitslosen, meist älteren Ingenieure zurück? "Präferenz genießen nun einmal die Jüngeren. Nicht nur, weil sie geringere Personalkosten verursachen, sondern weil sie auch auf dem neuesten Stand der Technik sind", meint Managementberater Guido Leyh aus Hamburg. Allerdings neigten viele Firmen inzwischen zu Kompromissen. Das Alter geriete in den Hintergrund, entscheidend sei, wie lange der Bewerber keine Praxiserfahrung mehr habe. Dr. Torsten Frankenberger von der Düsseldorfer Unternehmerberatung Droege & Comp. sieht im großen Mangel an Hightech-Ingenieuren, in der rasanten Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen sowie - vor dem Hintergrund weltweiter Märkte - in der Veränderung des Anforderungsprofils (Fremdsprachen, Managementkenntnisse, Führungserfahrung) die größten Hemmnisse, um die Firmen mit geeigneten Mitarbeitern zu versehen.
Die aktuelle Debatte um Innovationen sieht Frankenberger als "idealen Motor", um zahlreiche junge Menschen für den Ingenieurberuf zu gewinnen und Unternehmen für ein stärkeres finanzielles und ideelles Engagement zu begeistern. Sich auf die Zuschauerrolle beschränken und aus dieser Position heraus Forderungen stellen, ist auch für Leyh keine Lösung: "Viele Unternehmen machen sich häufig angesichts hohen Auftragsdrucks nicht die Mühe, Kosten in Einarbeitung und Weiterbildung zu stecken, sondern schreiben stattdessen lieber direkt den Traumingenieur aus." Realitätssinn sei gefragt. Firmen dürften auch nicht den gleichen Fehler wie Anfang der 90er Jahre begehen, als man massenweise Ingenieure entließ und die Jugend folgerichtig wenig Interesse am Technikstudium zeigte. Leyh: "Hier sollte die Wirtschaft antizyklisch planen. Nur so können wir die Zukunft unseres Hochtechnologiestandortes sichern."
Den Ruf der Firmen nach größerer Praxisnähe der Hochschulabsolventen kann Torsten Frankenberger nachvollziehen: "Insbesondere die Universitäten sind hier in der Pflicht. Sie sind, im Gegensatz zu den Fachhochschulen, oft zu weit von der Wirtschaft entfernt."
Um Praxisnähe zu gewährleisten, hält Carola Feller, Bildungsexpertin beim VDMA, einen Ausbau dualer Studiengänge für sinnvoll. Der Verband diskutiert zurzeit, ob der sechssemestrige Bachelor reicht, um eine Berufsbefähigung herzustellen. Die Maschinen- und Anlagenbauer hätten nichts dagegen, wenn auf die dreijährige Fachausbildung mit interdisziplinärer und fachübergreifender Grundlagenvermittlung ein Praxissemester gesattelt würde.
WOLFGANG SCHMITZ
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